Rad Race 120 – Sonthofen: Ein persönlicher Erfahrungsbericht von Nils Johannes

Die Radstadt Sonthofen im wunderschönen Allgäu war vom 14. bis 16. Juni 2024 zum zweiten Mal Gastgeber des Rad Race 120. Nach meinen unglaublich tollen Erfahrungen beim Jungfern-Event im letzten Jahr stand es für mich also außer Frage, erneut die – zugegeben – weite Anreise anzutreten. Dieses Jahr im Mixed-Team; eine völlig neue Erfahrung.

Aber was ist Rad Race überhaupt und wie unterscheidet es sich von anderen Rennformaten? Die Marke Rad Race wurde 2013 von Ingo Engelhardt und Jan Sprünken gegründet und steht seitdem für Events, Rennen, Merch, Instagram-Content und (mittlerweile) zwei recht exklusive Canyon-Showrooms am Hamburger Fischmarkt und am Berliner Gleisdreieck. Im Mai 2024 erst ist Nationaltorhüter Manuel Neuer als Mehrheitseigner in das Unternehmen eingestiegen. Rad Race lockt dabei durch seinen modernen Auftritt auch Menschen in die Startblöcke, die einem normalen Lizenz- oder Jedermannrennen vielleicht ferngeblieben wären. Das Starterfeld ist daher bunt gemischt, von lässig bis kompetitiv.

Freitag – Welcome Ride und Startnummernausgabe

Neben der obligatorischen Expo mit einem Event-Platz, u. a. für das EM Public Viewing bietet Rad Race 120 ein dreitägiges Programm. Am Freitag gibt es einen organisierten Welcome-Ride. Letztes Jahr war Manuel Neuer mit von der Partie, dieses Jahr hat er es vorgezogen, Fußball zu spielen. Aber immerhin haben wir eine Videobotschaft von ihm erhalten. Viele Teilnehmende sind mit Fußballtrikots zum Riders-Briefing erschienen um im Anschluss direkt das EM-Eröffnungsspiel schauen zu können. Es werden Pyrotechnik und Rauchfackeln verteilt. Die Marschrichtung für den Fußballabend und die kommenden Renntage ist also eingeschlagen.

Samstag – Prolog aka Berzeitfahren

Wenn man schon im bergigen Allgäu ist, dann soll man es auch richtig genießen dürfen. Der Prolog ist angerichtet. Auf 4,19 km sind 370 hm zu überwinden. Das sind im Schnitt knapp über 9 %, maximal sind 18 % zu überwinden. Für viele Teilnehmer das ideale Terrain, um einen 20-Minuten Test abzulegen. Heute wird die Einteilung in die Startblöcke ausgefahren. Rad Race 120 ist ein reines Team-Event, eine Einzelwertung geschweige denn Altersklassenwertungen gibt es nicht. Beim Prolog werden die Zeiten der drei schnellsten Teammitglieder zusammenaddiert, bei den Mixed-Teams müssen hierbei zwei Geschlechter dabei sein (Zwei Männer, eine Frau oder vice versa).

Das Wetter im Allgäu ist an diesem Tag allerdings auch nicht besser, als im Rheinland. Pünktlich zu unserem Start um 15:30 Uhr fängt es wieder an zu regnen. Halb so wild, es geht ja erstmal nur bergauf. Ich stehe mit meinem Crosser am Start, ausgestattet mit ein paar leichten Laufrädern und 27er Straßenreifen. Immerhin ist dieses Gefährt rund 1 kg leichter, als mein Aero-Renner. Wir stehen mit fünf Jungs und drei Mädels auf der Startrampe. Die Musik dröhnt, die obligatorischen Rauchfackeln rauchen und das Adrenalin steigt. Los geht es. Wieder etwas zu schnell, genauso wie letztes Jahr. Erst einmal die Motivation der anderen brechen und wenn man außer Sicht ist, kann man würdevoll platzen. Die erste Rampe ist überwunden. Viele Anwohner stehen an der Strecke, jubeln, feuern an und lärmen mit Kuhglocken. Ich fühle mich gut und sammele schnell die ersten Konkurrenten auf der Strecke ein. Es folgt ein kurzes flaches bzw. abfallendes Stück. Die Rechtskurve nehme ich viel vorsichtiger als letztes Jahr, meinen Sturz auf nasser Fahrbahn in der Vorwoche noch in Kopf und Knochen. Endspurt, jetzt wird es zäh. Mein Einfach-Antrieb ächzt aber die 40-34 CX-Übersetzungscheint sich zu bewähren. Zugegeben, ich schaue etwas über Kreuz, als ich als Zweiter im Team aber über 30 Sekunden langsamer als letztes Mal die Ziellinie überquere. Ich warte auf die anderen. Viele teure Rennräder hängen hier oben an den typischen Ständern, nur mein Crosser liegt im Matsch. Da gehört er schließlich auch hin.

Wir werden heute 30. von rund 160 Mixed Teams. Knapp an Startblock B gescheitert aber immer noch weit genug vorne, um am Samstag schnell Fahrt aufzunehmen.

Sonntag – Das Rennen

Heute stehen 2.200 hm auf dem Plan, die sich auf 126 km verteilen, wovon die ersten sechs neutralisiert sein werden. Die ersten 40 km sind flach, danach warten Saustieg und Rohrmoos als knackige Ansteige, die nach dem Riedbergpass (immerhin Deutschlands höchste Passstraße) erneut bezwungen werden müssen. Am Ziel wartet dann noch ein besonderes Schmankerl.

Für die Teamwertung zählt beim Hauptrennen die Zielzeit des/der dritten FahrerIn. Wir entschließen uns, unsere ehemalige Bahnspezialistin Marina zu unterstützen. Mein Freund Andreas und ich bleiben immer bei ihr, liefern Windschatten, fahren Lücken zu.

Der Start um 06:45 Uhr ist mal wieder furios. Mit hohen Geschwindigkeiten geht’s durch Sonthofen und Immenstadt. Kreisverkehre und Verkehrsinseln sind perfekt abgesichert—looking at you, 3Rides! Am Alpsee kommt es direkt vor mir zum Crash. Zwanzig Meter vor mir türmt sich plötzlich ein Berg aus Menschen und Carbon auf. Vollbremsung bei 60 km/h auf nassem Asphalt, das Hinterrad bricht aus, ich schaffe es gerade so um die Unfallstelle herum. Wieder Vollgas, hinter mir Chaos und eine große Lücke. Schwein gehabt. Ich kann schnell aufschließen und bin froh, Andreas und Marina zu sehen.

Bislang war es nur von unten nass. Kurz vor Oberstauffen, die Stelle mit der technisch anspruchsvollsten Abfahrt, fängt es an zu schütten. Großartig! Ich bekomme PTBS-Flashbacks und fahre wie auf rohen Eiern die kurze, kurvige Abfahrt runter. Better safe than sorry. Es kostet ein paar Körner aber ich fahre wieder an die Gruppe ran.

Der Saustieg naht. Ich stopfe mir die Flaschen meiner Teamkameraden ins Trikot und werde zum Wasserträger. Fünfzehn Minuten Schwelle ist angesagt. Ich werde ungläubig von denen angeschaut, die ich überhole. Aber ich habe nun mal eine Mission. Normalerweise meide ich Verpflegungsstationen, diese hier ist aber 1a organisiert. Ich warte auf mein Team und reihe mich auf der Abfahrt wieder ein.

Kurz vor dem Riedbergpass gibt es eine angekündigte Gefahren- bzw. Engstelle. Sprengungen an einer Felswand sind in der Vorwoche nicht verlaufen, wie geplant. Die Straße ist daher teilweise gesperrt. Wir werden kanalisiert und weichen für rund 100 m in einer Einerreihe auf den Gehweg aus. Alles läuft sehr gesittet ab. Am Fuße des Riedbergpasses nehme ich wieder leere Flaschen und mache mich alleine auf den Weg nach oben. Fast dreißig Minuten soll die Plackerei dieses Mal dauern aber die Beine fühlen sich immer noch gut an. Auf dem Weg nach oben treffe ich auf Mixed-Teams, die ihre Mädels den Berg hochschieben. Argumente werden ausgetauscht und ich lerne, dass dies ja nur eine Hobby-Veranstaltung sei. Die Flaschen werden aufgefüllt und es geht in die schöne lange Abfahrt. Die abtrocknenden Straßen sorgen dennoch für Unfälle. Unschöne Bilder auf der Abfahrt vom Riedbergpass mit Rettungswagen und Hubschrauber, anscheinend ist aber auch hier alles verhältnismäßig glimpflich verlaufen.

Im Flachen wird gut gedrückt. Wir leisten viel Führungsarbeit, halten das Tempo hoch. Nach einer erneuten Runde über Saustieg und Rohrmoos geht es ins Finale. Und das wird es in sich haben. Der Zielbereich ist am Skilift in Bolsterwang aufgebaut. Ein uphill-finish über ein paar Serpentinen soll noch ein letztes Mal das Laktat in die Beine schießen lassen und nebenbei einen potenziell gefährlichen Massensprint verhindern.

Am Ende belegen wir als Team Platz 16 von 160. Ein super Ergebnis und ein toller Abschluss eines mega Events. Vielen Dank an die Garmischer Coaltion: Marina, Melina, Lisa, Andreas, Ronald, Thomas, Thomsi und Dennis.

0 Kommentare