Ein persönlicher Erfahrungsbericht von Nils Johannes
Während das 3Rides-Festival in Aachen bereits zum dritten Mal veranstaltet wird, ist die Einbettung eines Laufs der UCI Gran Fondo World Series eine Premiere in 2024. Am 12. Mai 2024 hatte man also nicht nur die Chance auf die Teilnahme an einem 120 km Jedermann-Rennen vor der Bonner Haustür, sondern auch die Möglichkeit zur Qualifikation für die UCI Gran Fondo World Championships. Die Weltmeisterschaft der Amateure wird dieses Jahr in Dänemark ausgetragen und zieht dementsprechend die Aufmerksamkeit vieler ambitionierter Amateure auf sich. Und da sich Aachen bekanntermaßen im Dreiländereck befindet, stand das Festival erneut im Fokus nicht nur deutscher Radrennfahrer sondern auch belgischer und niederländischer gleichermaßen.
Mit meinen bisherigen Ergebnissen bei großen deutschen Jedermann-Rennen war ich durchaus zufrieden. Wie sich das Ganze allerdings in einem Lauf der UCI Gran Fondo World Series wiederspiegelt vermochte ich vor dem Start nicht zu sagen. Ein Ergebnis unter den ersten 25 % der eigenen Altersklasse löst ein Ticket nach Dänemark. Aussichtslos war das Unterfangen nicht. Für Motivation war also gesorgt.
Die Vorbereitung
Einen besonderen Trainingsplan für die Vorbereitung auf das Rennen habe ich nicht durchlaufen. Das war familiär und dienstlich nicht unterzubringen. Ehrlich gesagt bin ich aber auch nicht der Typ für strukturiertes Training. Durch Zwift- und Cyclocross-Rennen sowie Ganzjahresfahrradpendeln habe ich aber nie eine wirkliche off-season. Vor dem Rennen war ich fit und gesund.
Ich ließ es mir aber nicht nehmen, die Strecke exakt eine Woche zuvor einmal unter die Lupe zu nehmen. Nicht nur um die Streckenverhältnisse zu erkunden sondern auch um den Anreise und Pre-Race Abläufe zu testen. Die Stunden vor einem Rennen sind nämlich immer die stressigsten für mich. Aufstehen um 04:00 Uhr, ein kleines Frühstück, eine einstündige Fahrt nach Aachen, race-ready um 06:00 Uhr, Start um 07:00 Uhr. Der Plan stand.
Die Strecke
Das Rennen sollte in Aachen am CHIO-Gelände starten und auf 120 km, gespickt mit 2000 hm, eine Schleife bis an den Rursee ziehen und wieder zurück nach Aachen führen. Niemals wirklich flach, eigentlich super. Innerhalb von Aachen warteten kurze Kopfsteinpflasterpassagen auf die Teilnehmer. Nicht flandrisch aber auch nicht zu verachten. Der erste große Anstieg ab km 25 von Zweifall bis Lammerdorf wurde gefolgt von einer serpentinenreichen Abfahrt auf perfektem Asphalt bis nach Woffelsbach. Kurz darauf ging es von Rurberg aus in Serpentinen wieder auf die Ausgangshöhe. Eine weitere kurvige Abfahrt führt einen nach Dedenborn. Das treffende Orstausgangsschild in Hammer leitet den dritten und letzten großen Anstieg ein. Ab Lammersdorf ging es dann grundsätzlich nur noch bergab. Auf dem Weg ins Ziel sollten jedoch noch einige kleine giftige Anstiege warten.
Das Rennen
Um 06:15 Uhr stehe ich in meinem Startblock. Nicht ganz vorne aber komfortabel platziert. Deutsch höre ich kaum mehr. Ein Freund von mir ist mit seinem Team aus Ghent angereist. Vermutlich befindet sich das who-is-who der belgischen und niederländischen Amateurszene gerade in Aachen. Rosige Aussichten. Neutralisiert geht es aus Aachen raus. Das bedeutet, dass die Meute mit bis zu 50 km/h durch die Aachener Innenstadt jagt. Durch Fußgängerzonen und vorbei an mäßig abgesicherten Verkehrsinseln und parkenden Autos. Das hohe Tempo ist erwartbar, die Absicherung habe ich schon besser gesehen. Der Anstieg nach Lammersdorf sollte die erste Herausforderung sein. Gänge knallen hart auf die größten Ritzel, das Feld staut sich auf der gar nicht mal so breiten Straße fast bis zum Stillstand. So ein Käse. Als eher leichter Fahrer habe ich hier durch schlechte Positionierung Chancen verspielt. Die Abfahrt an den Rursee kann ich wiederum für mich nutzen. Die neuen Reifen kleben auf dem Asphalt und das Recon verleiht ein Gefühl von Sicherheit. Bislang läuft es gut. Die Ernüchterung folgt dann auf der Hälfte der Strecke, als die Spitze der Altersklassen Ü45 und Ü50 vorbeirauscht. Opportunistisch hänge ich mich dahinter werde aber nach kurzer Zeit dann doch abgestellt. Am Anstieg Hammer merke ich dann zum ersten Mal, dass mir der rechte Oberschenkelmuskel zumachen wird. Immer kurz vor dem Krampf muss ich Tempo rausnehmen. Weg ist die Gruppe, immer rund 150 Meter entfernt, nicht mehr aber auch nicht weniger. Nach einiger Zeit, solo, auf dem Lenker liegend, lass ich mich dann von der nächsten Gruppe schlucken und es geht zurück nach Aachen. Hektischer wird es. Ich werde wüst auf niederländisch angeschrien (eigentlich nur die verzweifelte Frage, wie wir positioniert wären). Das Laktat steht allen Oberkante Unterlippe. Das Aachner Kopsteinpflaster fungiert als Flamme Rouge. Am Tivoli angekommen mache ich mich klein und gebe früh Gas, die Beine für einen kurzen Sprint habe ich nicht. Unerwartet hart schlägt das letzte Pavé durch die Tubelessreifen. Etwas mitgenommen rolle ich mit hängendem Kopf über die Ziellinie, ahnend, dass die Konkurrenz heute ausgesprochen stark war.
Das Resümee
Es hat nicht gereicht. Es war noch nicht einmal knapp…oder war es das? Reine Spekulation. Nach der ersten Enttäuschung bleibt ein positives Gefühl von einem harten, tollen Rennen auf einer der schönsten Strecken, die ich bislang fahren konnte. Die Absicherung auf der Strecke hätte besser sein können. Ich habe keine Unfälle wahrgenommen. Warum aber eine ältere Dame mit ihrem Smart mitten auf einer Aachener Kreuzung stand, als das Feld mit über 50 km/h links und rechts an ihr vorbeigeschossen ist, bleibt mir ein Rätsel.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass ich nächstes wieder in Aachen starten werde, wenngleich ich nicht sicher bin, ob ich im Falle einer Qualifikation nach Australien reisen würde. Dort findet nämlich die WM 2025 statt.
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