Der Weg zum Ötztaler
Angefangen hat alles vor einem Jahr mit der Idee, sich doch einfach mal auf einen Platz beim ÖRM zu bewerben (wir bekommen doch eh keinen Platz 😉). Als dann Ende des Jahres die Zusage per E-Mail reinflatterte gab es kein Zurück mehr.
Da bei mir der Fokus dieses Jahr auf den Rundstrecken liegt ging es frei nach dem Motto „mal schauen was drin ist“ Richtung Sölden. Dabei stand der Start sowohl bei mir als auch bei Jerome noch bis zum Rennvorabend auf der Kippe. Die Voraussetzungen für den ÖRM waren dabei nicht die besten. Drei Wochen vor Start laborierte Jerome mit einer Schleimbeutelentzündung im Knie, mich suchte nach Bonn-Eupen-Bonn am Dienstagabend eine Erkältung auf. Jerome reiste bereits eine Woche vor dem Rennen Richtung Sölden und konnte in dieser Woche zum ersten Mal das Knie wieder voll belasten. Ich reiste Donnerstagabend nach und setzte mich am Freitag vor dem Ötztaler zum ersten Mal wieder auf mein Rad. Die Herzfrequenz sah bei der lockeren Grundlagenfahrt eher wie ein Intervalltraining aus. Nach einer etwas intensiveren Vorbelastung mit einer etwas normalisierten Herzfrequenz am Samstag stand trotzdem die Entscheidung: Wir gehen an den Start und schauen, was am Ende herauskommt.
Das Rennen
Als um 04:15 Uhr der Wecker klingelte war uns beiden klar – wir haben Bock auf‘s Rad zu steigen! Nach einem schnellen Kaffee und einem kleinen Frühstück ging es auch schon Richtung Startblock. Obwohl wir bereits um 05:15 Uhr am Start standen, waren wir sicher an Position 1.000. Wahnsinn, was hier für Massen am Start waren. Durch unseren super Streckensupport konnten wir glücklicherweise die 75 Minuten bis zum Beginn noch in muckelig warmen Anziehsachen warten.
Dann war es so weit: 3-2-1 und los ging das Abenteuer. Mein Ziel war es, auf der Abfahrt bis nach Ötz möglichst schnell und effizient viele Plätze gutzumachen, um mir etwas Puffer für den ersten Anstieg des Tages einzufahren. Sowohl bei mir als auch bei Jerome ging der Plan auf und nach 34 Minuten startete der erste Anstieg des Tages hoch aufs Kühtai.
Die Pacingstrategie war dabei konservativ gewählt und ich war überrascht, wie viele Fahrer*innen mit über 300 Watt links und rechts an mir vorbeiflogen. Mit der Erkältung der Vortage im Hinterkopf und dem Wissen, dass noch 3 Anstiege folgen sollten, ließ ich mich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Nach 1:12h war der erste Berg besiegt und es ging in die schnellste Abfahrt des Tages Richtung Innsbruck. Auf der Abfahrt konnte ich nochmals einiges an Boden gut machen und erwischte eine gute Gruppe mit der ich auch den leichtesten Anstieg des Tages, den Brenner, fahren konnte.
Vor der Abfahrt Richtung Jaufenpass wartete meine erste persönliche Verpflegungsstation. Bei stetig steigenden Temperaturen war es auch höchste Zeit für neue Flüssigkeit. Nach einer Fahrzeit von 5:18h ging es dann in den dritten Anstieg des Tages. Mein Körper fühlte sich noch recht solide an und ich konnte auch auf dem Jaufenpass meine geplante Pace übertreffen. Ich hatte somit bereits mehrere Minuten gegenüber meiner eigentlichen geplanten Zielzeit von 9h herausgefahren. Kilometer für Kilometer sammelte ich mir bekannte Gesichter aus dem ersten Anstieg des Tages wieder ein und wusste, dass meine Pacingstrategie am Kühtai nicht die schlechteste Wahl war. Auch Jerome lag zu diesem Zeitpunkt noch absolut top in Referenz zu seiner geplanten Zielzeit.
Timmelsjoch als Endgegner
Rein in die nächste Abfahrt und auf zum letzten Anstieg des Tages, dem Timmelsjoch. Von einigen erfahrenen Fahrer*innen hatte ich im Vorfeld schon gehört, dass es am Timmelsjoch nicht mehr um das Paceing geht, sondern um den persönlichen Kampf „Fahrer gegen Berg“. Was damit gemeint war, erfuhr ich dann einige Kilometer später am eigenen Leib. Vor dem Anstieg verpflegte ich mich nochmals mit neuen Flaschen und Gels.
Bei mittlerweile 41 Grad auf der Straße gab es keinen Punkt mehr an meinem Körper, welcher nicht nassgeschwitzt war. Die ersten 15km der 27km liefen noch ganz gut, ich konnte meine Pace halten und hatte ein gutes Hinterrad erwischt. Wie aus dem Nichts begannen dann jedoch meine Beine zuzumachen. Ich stand kurz vor Krämpfen. Zunächst konnte ich mich noch 2-3 Kilometer durch unterschiedliche Belastung der Beine retten, dann musste ich die Pace jedoch herunterdrosseln, um nicht in einen Krampf zu fahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch 7km bis zum Gipfel. Ab jetzt galt dann wohl „ich gegen den Berg“. Um mich weiter zu motivieren, zählte ich die Kilometer runter. Die letzten zwei Kilometer taten dann nochmal richtig weh. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich es geschafft. Ich war oben auf dem Timmelsjoch angekommen. Zwei Stunden Leiden bei brütender Hitze mental im Kampf gegen mich selbst. Die Fahrzeit betrug zu diesem Zeitpunkt 7:54h und ich wusste, wenn ich jetzt nicht total einbreche, schaffe ich es, den ÖRM unter 8h30Minuten zu beenden. Dieses Wissen motivierte mich nochmal, alles aus mir und meinem Körper herauszuholen. Im kurzen Gegenanstieg nach dem Timmelsjoch waren dies jedoch nur noch 150 Watt :-D. Auf der darauffolgenden Abfahrt konnte ich mich nochmal etwas erholen und mit einer kleinen Gruppe Volldampf Richtung Sölden fahren. Müde, glücklich und erschöpft erreichte ich nach 8:28h das Ziel in Sölden.
Jerome hatte am Timmelsjoch leider, wie so viele andere Fahrer*innen an diesem Tag, nicht so ein Glück wie ich. Die Hitze setzte ihm zu und er konnte die Krämpfe leider nicht abwenden. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, den Berg zu bezwingen. Frei nach dem Motto „wenn ich im Sitzen Krämpfe bekomme, fahre ich halt im Stehen“ kämpfte er sich das Timmelsjoch hoch. Moralisch eine sehr starke Leistung. Nach etwas mehr als 10 Stunden erreichte auch er das Ziel in Sölden.
Abschließend lässt sich sagen, dass mit etwas mehr Vorbereitungsglück und mehr Flüssigkeitszufuhr die Zeit noch etwas besser hätte ausfallen können. Nichtsdestotrotz sind wir zufrieden, die Challenge gemeistert zu haben und stehen euch bei Fragen zu „eurem“ Ötztaler gerne zur Seite.
Link der Aktivität: https://www.strava.com/activities/9418250468
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